Von den drei Säulen der Macht – und warum wir ihnen nicht ausgeliefert sind.  von Nils Brodersen

Von den drei Säulen der Macht – und warum wir ihnen nicht ausgeliefert sind                                                                                                  – von Nils Brodersen

Aufklärung sei der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit schrieb einst der Philosoph Immanuel Kant. Und große Anstrengungen hat die Menschheit in den letzten Jahrhunderten unternommen, um diese selbstverschuldete Unmündigkeit zu überwinden. Dennoch haben alle Befreiungsversuche bisher keinen kollektiven Erfolg erzielen können. Zwar wurde die uneingeschränkte Herrschaft von Adel und Kirche auf unserer Erde gebrochen und in weiten Teilen durch Demokratie und damit Partizipation der Bevölkerung an politischen Entscheidungen ersetzt.

Aber trotzdem erscheint ein großer Teil der Menschheit nach wie vor in Unmündigkeit gehalten. Woran mag das liegen?

Nun, das liegt mit daran, dass wir in unserer Menschheitsentwicklung noch relativ am Anfang stehen und uns noch nicht sehr weit vom Tier entfernt haben. So haben Wissenschaftler festgestellt, dass wir nur 3% unserer Handlungen bewusst vornehmen, 97% unserer Handlungen geschehen unbewusst. Bei unserem Wahrnehmungsvermögen ist das Verhältnis noch krasser: lt. Einer spontan durchgeführten Google-Recherche nimmt unser Gehirn bis zu 11 Millionen Sinneswahrnehmungen auf, von denen wir aber nur 40-50 bewusst wahrnehmen.

Dieses begrenzte Bewusstsein macht uns zu hochmanipulierbaren und sehr leicht zu steuernden Wesen! Dabei beginnt die Manipulation schon im ganz kleinen: Begegnen wir einem Menschen freundlich und höflich, so werden diese Freundlichkeit und Höflichkeit in der Regel erwidert – selbst dann, wenn unser Gegenüber gerade schlecht gelaunt ist und vielleicht auf der Suche nach einem Ventil für seine Aggressionen ist. Umgekehrt verhält es sich, wenn wir einem Menschen unfreundlich und aggressiv begegnen: unsere Unfreundlichkeit wird in der Regel gespiegelt werden – selbst dann, wenn unser Gegenüber gerade gute Laune hat und überhaupt nicht in Stimmung ist, aggressiv zu sein.

In beiden Fällen haben wir unser Gegenüber manipuliert, in dem wir ihn dazu gebracht haben, freundlich bzw. unfreundlich zu sein – und dass vielleicht sogar gegen seine eigentlichen Absichten. Normalerweise geschehen solche Arten von Manipulation unbewusst.

Aber die Manipulationstechniken lassen sich natürlich auch bewusst einsetzen, um Macht auszuüben, sprich: Menschen dazu zu bringen, etwas zu tun, was sie normalerweise nicht tun würden und was auch gar nicht zu ihrem Nutzen ist.

Drei Prinzipien, die in der Überschrift als Säulen bezeichnet wurden, erweisen sich hier als sehr hilfreich um ein System der Macht und Manipulation/Steuerung der Massen aufrechtzuerhalten:

Brot und Spiele (Panem et Circensis), Teile und Herrsche (Divide et Impera) und Angst.

Die lateinischen verraten es hierbei schon: die (staats-)tragende Kraft dieser Säulen haben schon die alten Römer erkannt. Doch wie funktionieren sie?

Brot und Spiele

Als „normaler“ Bürger habe ich in der Regel keinen anderen Anspruch an meine Regierung, als dass sie die Abdeckung meiner materiellen Bedürfnisse (wie Nahrung, Kleidung, Unterkunft, …) garantiert. Hier muss die Regierung nur dafür sorgen, dass ein ausreichender Teil der Bevölkerung mit Nahrung, Kleidung, Unterkunft und – im Idealfall – mit dem ein oder anderen Luxusartikel versorgt ist.

Das Konzept der „Spiele“ eignet sich hervorragend zur Ablenkung der Bevölkerung von den eigentlichen Regierungsgeschäften und hält die Menschen „bei Laune“. Im alten Römischen Reich wurden dazu noch große Arenen und Theater errichtet, in denen alle möglichen Schauspiele geboten wurden – mit echten Morden bei den Theaterstücken und echten Toten bei den Kämpfen in der Arena.

Nun, da haben wir in den letzten Jahrzehnten einen echten technischen Fortschritt gemacht: das Fernsehen erübrigt den Bau (und Besuch) von Schauspielen in Arenen, denn es bringt diese direkt in unser Wohnzimmer (oder, dank Internet, wohin wir immer möchten). Das geht bei sportlichen Groß- und Kleinereignissen los. Aber auch Spielfilme, Serien und Shows aller Art bedienen vorzüglich den Unterhaltungsanspruch der Bevölkerung und sorgen für Gesprächsstoff.

Aber auch das Politikgeschehen selber lässt sich televisionär darstellen, z.B. mit Polit-Talkshows, Berichte von Parteitagen und dem täglichen (für manche auch stündlichen) Ritual der Nachrichtensendung.

Da das menschliche Gehirn nicht in der Lage ist zwischen Schein und Wirklichkeit zu interscheiden eignen sich die Medien natürlich hervorragend zur Manipulation der Massen. Ein anderer Text soll auf dieses Phänomen genauer eingehen.

Teile und Herrsche

„Un pueblo unido jamás será vencido” – so lautet eine Parole der Demonstranten in Lateinamerika, wenn sie gegen ihre Regierungen auf die Straße gehen – zu Deutsch: ein einiges Volk wird nie besiegt werden! Das hatten auch die alten Römer erkannt und für die Spaltung ihrer Gesellschaft in die unterschiedlichsten Klassen, Religionen und Ethnien gesorgt, aber auch bei der Eroberung neuer Territorien sorgte die Spaltung und Verfeindung der dortigen Bevölkerung untereinander für ein leichtes Spiel der römischen Armee. Bekanntestes Beispiel ist dafür ist wohl Cäsars Vorgehen in Gallien, wo er die dortigen Stämme gegeneinander ausspielte, um sie dann einen nach dem anderen zu erobern.

Wenn wir uns gerade die Lage in Deutschland ansehen, lässt sich leicht feststellen, dass die Spaltung innerhalb unserer Gesellschaft perfektioniert worden ist. Das lässt sich sehr leicht erkennen, wenn es um die Vertretung der Interessen, Idealen u.ä. einzelner Menschen geht. Wer immer in den letzten Jahrzehnten für seine Interessen eingetreten ist, in Form von Demonstrationen, Streiks usw., ist stets von Politik und Medien mit Etiketten belegt worden. Dabei spielt es keine Rolle, ob es um Frieden, den Erhalt des Arbeitsplatzes, verbesserte Arbeitsbedingungen, Umweltschutz, Verhinderung oder Beseitigung sozialer Ungerechtigkeiten o.ä. geht: Erreicht ein Protest eine gewisse öffentliche Aufmerksamkeit, werden die Protestierenden mit Schlagwörtern belegt wie: „verkappte Stalinisten und Agenten Moskaus“, „Antiamerikanisch“, „Faul“, „Naiv“, „Verantwortungslos“, „Wutbürger“, „Un- oder Asozial“, „Egoistisch“ und – seit einigen Jahren auch „Nazi“.

Da diese Schlagwörter über die Medien verbreitet werden, die von so gut wie allen erwachsenen Menschen konsumiert werden, sind die (normalerweise berechtigten) Proteste der Menschen für ihre Adressaten, den bisher unbeteiligten Rest der Bevölkerung unerreichbar, da diese ja aus den Medien wissen, mit wem sie es hier zu tun haben – wir erinnern uns: das menschliche Gehirn kann nicht zwischen und Wirklichkeit unterscheiden.

Und so ist es gelungen, die Bevölkerung – gerade in Deutschland, auf andere Staaten trifft das interessanterweise deutlich weniger zu – in die verschiedensten Gruppen einzuteilen, um sie nach Bedarf gegeneinander auszuspielen. Dabei handelt es sich dann wahlweise um Arbeitnehmer aller Art, Arbeitslose, Ausländer, Studenten, Friedens-, Klima- und Umweltaktivisten usw.

Somit ist gesichert, dass sich die Bevölkerung meist geschlossen gegen jene wendet, deren erfolgreiche Proteste zu einer Verbesserung der Lebensumstände der Gesamtbevölkerung  führen würden. Anderenfalls könnte es ja sein, dass sich andere Menschen den Protesten anschließen würden oder sogar ihre eigenen Forderungen hinzufügen, was zu einer Massenbewegung führen könnte und damit zu Macht- und Kontrollverlust der uns Regierenden.

Eine neue Stufe hat die Spaltung unserer Gesellschaft übrigens im vergangenen Jahr mit der Aufspaltung in die Gruppen „Teilnehmer an den Coronamaßnahmen“ und „Nichtteilnehmer an den Coronamaßnahmen“ – wobei es im letzteren Fall keine Rolle spielt, ob die „Nichtteilnahme“ auf politischen oder gesundheitlichen Gründen beruht. Die Spaltung geht in diesem Fall so weit, dass „Nichtteilnehmer“ nicht nur von Verwandten und Freunden gemieden werden, sondern auch aus dem öffentlichen Leben ausgeschlossen werden – z.T. staatlich verordnet (wie im Fall von Veranstaltungen oder Restaurantbesuchen) z.T. aber auch von einzelnen Personen vor Ort, die zum Beispiel die Mitfahrt in einem öffentlichen Verkehrsmittel verweigern oder das Betreten eines Supermarkts sowie Verlust des Arbeitsplatzes. Was von den Betroffenen oft genug zum Kontaktabbruch ihrerseits zu Verwandten und Freunden führte – in Einzelfällen kam es sogar zu Mord.

Eine ähnlich tiefgreifende Spaltung dürften wir in Deutschland höchstens im 16. Jahrhundert mit der Entstehung der protestantischen Kirchen erlebt haben. Die Trennung von Katholiken und Protestanten lebte sich in Kriegen aus, die Deutschland über Jahrhunderte schwächten und es in weiten Teilen zu willenlosen Werkzeugen der benachbarten Staaten machte.

Im Klartext: mit der Spaltung der Bevölkerung im Zuge der Maßnahmen zur Abwehr der Corona-Pandemie hat diese eine Stufe erreicht, auf der sie ihren staatstragenden und staatserhaltenden Charakter verliert. Die Desolidarisierung unserer Bevölkerung ist damit so weit fortgeschritten, dass sie nicht mehr zum Zusammenschluss zu einem Staatswesen taugt, sondern zum (Bürger-)Krieg!

An wen wird es nun liegen einen solchen Krieg zu verhindern – an den Regierenden oder an der Bevölkerung?

Angst

Die vielleicht wichtigste Säule der Macht. Angst ist zunächst einmal ein natürliches Phänomen, das uns davor schützen soll, für uns gefährliche Risiken einzugehen. In unserer modernen Zivilisation artet die Angst auch in Krankheit aus, wenn wir Angst vor ganz alltäglichen Dingen entwickeln (wie z.B. Angst vor dem Aufzug fahren dem Fliegen, dem Betreten von öffentlichen Verkehrsmitteln und grüßen Plätzen usw.)

Angst lässt sich auch wunderbar als Machtmittel einsetzen: es muss nur gelingen, einem ausreichen-den Teil einer Bevölkerung Angst zu machen, sei es vor Krieg, Hunger/Armut, Not, Krankheit oder Tod. Dabei spielt es übrigens keine Rolle, ob es sich um wirkliche Gefahren handelt oder nicht.

Es ist der Angst zu eigen, dass sie sich nicht mit dem Verstand verträgt – schließlich kommt es in einer Gefahrensituation nicht darauf an, seine Möglichkeiten genauestens zu analysieren und zu erörtern, sondern möglichst schnell und effektiv zu handeln. Das lässt uns Hilfe im Außen suchen. In der Eiszeit war das vielleicht ein Baum, auf den uns der berüchtigte und vielzitierte Säbelzahntiger nicht folgen kann. Heute kann diese Aufgabe z.B. ein Politiker übernehmen, den wir dann wählen können, weil er uns glaubhaft versichert, uns vor der angedrohten Gefahr schützen zu können. Oder aber ein Politiker, Wissenschaftler oder sonstiger „Experte“ kann uns Anweisungen geben, die wir dann befolgen können, um der angekündigten Gefahr zu entgehen. Da, wie bereits geschrieben, der Verstand in der Angstsituation aussetzt, sind wir nicht in der Lage die Konzepte unserer „Retter“ auf ihre Sinnhaftigkeit zu überprüfen, sondern darauf „angewiesen“ ihnen blind zu vertrauen – was uns für die uns Regierenden gefügig macht.

Angst kann aber auch in Hass umschlagen. Hass lässt uns unsere Angst und Ohnmacht nicht spüren, sondern gibt uns eine – vermeintliche – Autarkie über unser Handeln zurück.

Hass kann sich dabei oft gegen jene richten, die die Maßnahmen zum Schutz vor einer Gefahr nicht mittragen oder die gar als Ursache einer Gefahr angesehen werden.

Prominentestes Beispiel dafür ist in Deutschland der Massenmord an den Juden während des Dritten Reichs. Jeder Mensch, der den Hass auf und die Angst vor Juden nicht teilt, wird beim Lesen der „Fachliteratur“, die begründet warum „Juden“ schlechte Menschen sind, nur fassungslos den Kopf schütteln können. Fassungslos darüber, dass es tatsächlich Menschen gibt, die den Inhalt dieser Schriften als Tatsachen begreifen. Und dennoch haben genau diese Schriften dazu geführt einen Hass zu begründen, der in der Vernichtung von Millionen menschlicher Leben in Konzentrationslagern des Dritten Reichs gipfelte – wobei viele Verantwortliche der festen Überzeugung waren, der Menschheit mit ihrem Tun einen Dienst zu erweisen, durch den Krieg, Armut und Ungerechtigkeit ein für alle Mal beendet werden sollte- haben wir schon darauf hingewiesen, dass sich Angst und Verstand gegen-seitig ausschließen?

Das Dritte Reich steht mit diesem Verbrechen nicht alleine da: In aller Welt fanden in der Vergangenheit ähnliche Massaker statt, die alle darauf zurückführbar sind, dass Angst in Hass umschlug. Angst gepaart mit Hass macht einen Menschen zur größten Bedrohung für seine Mitmenschen – spätestens dann, wenn diese Menschen an Waffen gelangen.

Macht und Bewusstsein

Kommen wir auf den Anfang dieses Aufsatzes zurück: Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit, dieses Zitat von Immanuel Kant beginnt diesen Text. Vielleicht lässt sich dieses Zitat abwandeln in „Bewusstsein führt zum Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit“.

Denn um zu wirklich „mündigen Bürgern“ zu werden, brauchen wir Bewusstsein. Das Bewusstsein, dass es die oben beschriebenen Säulen der Macht, wie wir sie nannten, existieren und angewendet werden.

Wir brauchen das Bewusstsein, dass wir mit unserem begrenzten Aufnahmevermögen hochgradig manipulierbare und lenkbare Wesen sind. Und dass dies zu unserem Nachteil ausgenutzt werden kann und wird! (wobei es wiederum keine Rolle spielt, ob die manipulierenden Kräfte, z.B. aus Medien und Politik wissentlich oder unabsichtlich ihr Werk tun.)

Wir brauchen das Bewusstsein, dass wir „Herr über uns selbst“ sind und es deswegen auch nicht nötig haben, Andere für uns entscheiden zu lassen. Auch verfügen wir normalerweise über ausreichend Verstand, Gefahren zu erkennen und entsprechend zu handeln – ohne dass uns Politiker, Medienvertreter, Wissenschaftler oder sonstige Experten sagen müssen, was gut und richtig für uns ist und was in der jeweiligen Situation richtig ist.

Wenn uns zu Bewusstsein kommt, dass für alles, was (uns) passiert kein Politiker, Medienvertreter, Wissenschaftler oder sonstiger Experte verantwortlich zu machen ist, sondern ausschließlich jeder Einzelne von uns selbst – dann sind wir auf dem besten Weg vom unmündig gehaltenen zum mündigen Bürger zu werden.

Dann verlieren die über uns Herrschenden (wer auch immer das im Einzelnen sein mag) ihre Macht über uns und wir übernehmen unsere Verantwortung – und damit auch unsere Freiheit unser (Zusammen-)Leben nach eigenen Wünschen und Vorstellungen zu gestalten, ohne Einschränkungen von außen.

Die Säule „Brot und Spiele“ verliert ihre Wirkung, wenn wir uns ihrer bewusst sind, und unseren Unterhaltungskonsum danach ausrichten. Z.B., indem wir Programme, die unserer Ablenkung dienen und/oder uns nicht guttun meiden. Oder, wenn wir uns ihnen hingeben, dass wir uns ihres eigentlichen (oder Neben-)Zwecks bewusst sind und unsere Aufmerksamkeit und Wachsamkeit gegenüber den Themen, um die es eigentlich für uns geht nicht verlieren.

Die Säule „Teile und Herrsche“ wird unwirksam, wenn wir uns bewusst sind, dass wir auf diesem Planeten ALLE in „einem Boot“ sitzen und wir alle Entscheidungen – bewusst oder unbewusst – gemeinsam treffen und gemeinsam verantworten. Es gibt also nicht uns und die Anderen (die Andersdenkenden), sondern wir bilden eine Gemeinschaft, zu der jeder Mensch gehört (und in weiterem Sinne auch jedes Tier und jede Pflanze). Jeder Versuch unsere Gemeinschaft in zwei oder mehr Lager zu teilen ist somit nicht nur kontraproduktiv sondern entbehrt auch jeder Grundlage – so groß die Unterschiede zwischen uns Menschen auch immer sein mögen und so gut die Argumente gegen eine beliebige Gruppe Menschen auch immer scheinen mögen.

Wir sind gut beraten, uns nicht in eine Angst oder Hass oder Ablehnung gegenüber einer bestimmten Gruppe von Mitmenschen treiben zu lassen, nur weil wir Unvorteilhaftes über sie in den Medien unserer Wahl gehört oder gesehen haben. Trotz aller Unterschiede, die uns von einander trennen, haben wir genug Gemeinsamkeiten. Wenn wir uns darauf konzentrieren, wird es uns gelingen, Hass, Intoleranz und damit Krieg zu überwinden und ein gemeinsames Auskommen auf diesem Planeten zu finden.

Die Säule „Angst“ überwinden wir, wenn wir uns bewusst machen, wann wir mit unseren Ängsten konstruktiv und wann destruktiv umgehen. Konstruktiv gehen wir mit unseren Ängsten um, wenn wir uns ihnen nicht hingeben, sondern „kühlen Kopf“ bewahren, versuchen, die Situation zu analysieren, das wirkliche Gefahrenpotential einzuschätzen und uns zu überlegen ob und wie wir mit den Ge-fahren, die uns bedrohen umgehen. Dazu gehört auch die Einsicht, dass wir Bedrohungen ausgeliefert sind, für die es keinen oder nur geringen Schutz gibt – oder bei denen wir für unseren Schutz einen unangemessen hohen Preis zahlen müssten.

Destruktiv gehen wir mit unseren Ängsten um, wenn wir uns gegenseitig in ihnen bestärken und uns zureden, dass wir Angst vor allem Möglichen haben müssen. Unsere Medien sind angefüllt mit angstmachenden Nachrichten und entsprechender Sprache – das beginnt schon mit dem harmlosen Beispiel, dass schon seit einigen Jahren immer wieder davon zu lesen ist, dass uns im Winter „extreme Kälte mit Minusgraden“ und im Sommer davor „Hitze“ „drohen“!

Auf die Spitze getrieben ist der destruktive Umgang mit Angst aber, wenn eine Gruppe von Menschen diese instrumentalisiert und für ihre Zwecke einsetzt, z.B. indem sie Vorschriften macht, wie wir uns vor den angstauslösenden Gefahren am besten schützen – nach dem alten Erziehungs-grundsatz: „wenn Du nicht tust, was ICH Dir sage, dann passiert etwas ganz Schreckliches!“ Hier ist die Grenze zum Missbrauch unserer Ängste eindeutig überschritten. Dabei spielt es keine Rolle, ob die, die unsere Ängste missbrauchen eigene Machtinteressen verfolgen oder selbst ihrer Angst erliegen.

Wir sind gut beraten, zu erkennen, wann mit unseren Ängsten destruktiv umgegangen wird. Es ist dabei nicht schwer zu erkennen, wann eine – reale oder künstliche – Angst geschürt wird, um uns zu missbrauchen: Wir merken es an der Sprache und dem genutzten Vokabular („drohen“, „Bedrohung“, „Gefahr“, „Katastrophe“, „schrecklich“, „furchtbar“ u.ä.) und wenn jemand einen Lösungsvorschlag macht, der als der Alleingültige anzuerkennen und umzusetzen ist – unter bestmöglicher Ausschaltung jeglicher Opposition.

Ganz allgemein gesprochen stehen wir in diesen Jahren vor Herausforderungen, die wir nicht meistern werden, wenn wir uns weiterhin Angst voreinander machen lassen und uns spalten lassen um uns dann gegenseitig zu bekämpfen.

Um den Fortbestand unserer Zivilisationen zu sichern, sind wir darauf angewiesen, unsere Angst voreinander zu verlieren – ebenso unseren Hass oder Abneigung.

Wir können uns nur weiterentwickeln, indem wir Vertrauen gegen Angst setzen, Respekt und Akzeptanz gegen Hass und Intoleranz, Verständnis gegen Arroganz und Ignoranz.

Das ist die Herausforderung, vor der wir heute stehen – werden wir sie meistern?